Flucht in eine bessere Welt
Der im Juli 1998 erschienene Roman Die Mohrin wurde von Lukas Hartmann beim Fischer Taschenbuchverlag in Frankfurt veröffentlicht. Die Geschichte handelt von Marguerite und ihrem Sohn, die von einem Schweizer Herr auf Saint-Domingue freigekauft wurden und für die Familie schuften müssen.
In diesem Text möchten wir nun herausarbeiten, was die Träume vom jungen Louis bedeuten. Er stellt sich oft vor, wie das Leben auf Saint-Domingue und auch in der afrikanischen Heimat sein könnte. Seine Vorstellungen basieren auf den Erzählungen der Mutter. Wenn der Junge Zeit für sich hat, geht er oft zum nahegelegenen See im Wald. Dort spielt Louis, dass er Kapitän auf einem Schiff ist. Der Junge kämpft mit vielen Ängsten und wird zum Ende des Buches, als er von seiner Mutter getrennt wird zunehmend stiller. Auch hat er weniger Träume von seinem Heimatort. Der Text beschreibt oft sehr genau die Beobachtungen, Gedanken und Gefühle des Jungen. Der Roman ist in der dritten Person geschrieben, beschreibt jedoch die Geschichte aus Louis’ Sicht. Dieser erwähnt oft Gerüche und Situationen, die ihm auffallen. Es fällt früh auf, wie zentral das Befinden und die Dinge, die ihm auffallen, sind. Zum Beispiel erfahren wir durch die Schilderungen Louis, dass der Herr in der Nacht zu Marguerite geht, sie ihn aber abweist. (S. 39, 1ff) Der Junge begreift noch nicht, was sich zwischen den beiden abspielt, da er noch zu jung ist. Weiter weist das Buch auch einige Symbole auf, wie zum Beispiel der Baron Cimetière-Boumba, der immer in den Gedanken Louis’ auftaucht, wenn er Angst hat. Oder der unbekannte Vater von Louis, der in den kindlichen Spielen ein Held darstellt. Der Vikar steht für Marguerites und Louis’ Schutzengel. Als dieser auf der Reise nicht mehr mit den beiden zurück in die Schweiz kommt, geht das Leben der beiden bergab, da sie nicht mehr beschützt werden. Aber auch der Name Samuel stellt für Louis einen Neuanfang dar, da er diesen bei der Flucht verwendet. Als sie nach der französischen Grenze geschnappt werden, weil der König Louis XV gestorben ist, stirbt auch Louis symbolisch. Nach der missglückten Flucht, ist der Junge nicht mehr derselbe.
Zurückgreifend auf Louis’ Fantasien, kann man sagen, dass er durch seine Spiele am See aus seiner Unterdrückung entfliehen und frei sein kann. »Die Hecke ist die Grenze zwischen ihnen; jenseits der Grenze beginnt ein anderes Land.» (S. 44, 23ff) Beim Spielen am See ist er meist auf einem grossen Schiff. An Bord ist er der Kapitän, der viele Gefangene hat und in einer guten Kabine wohnen kann. Da er selbst weiss, wie es ist, Leid zu erfahren, behandelt er seine Bediensteten gut. Louis sagt jedoch selbst, dass er eigentlich ein Gefangener ist und sobald er auf der Insel ist, flüchten muss. (S. 11, 20f) Jedoch hat er auf dem Schiff einen kurzen Augenblick Zeit, das Oberhaupt zu sein. Er ist dort stärker als die anderen und muss auf niemanden Rücksicht nehmen. Als er in seinen Gedanken auf der Insel mit seinem Gefolge flüchtet und nicht eingefangen wird, kann er auch so Stärke zeigen. Diese Spiele am See dienen ihm als Abwechslung und zur Erholung. In diesen Stunden verarbeitet der Junge auch die Demütigungen, die er aufgrund seiner Hautfarbe und Herkunft erleben muss. Bestärkt werden die Träume des Jungens durch Marguerite, die mit ihm von einer Flucht träumt. Eine wichtige Stütze ist auch der Vikar, der Louis bestärkt, wenn er gedemütigt wird und den beiden bei der Flucht hilft. Louis’ Religion beeinflusst ebenfalls seine Träume. Er darf seinen Glauben nicht verraten, da die Schweiz zu dieser Zeit nur das Christentum akzeptierte. Wenn der Junge etwas Schlechtes tut oder Angst hat, taucht der Baron Cimetère-Boumba auf und möchte ihn mitnehmen. Dieser Charakter könnte so etwas wie der strafende Gott symbolisieren. Trotz der Angst vor ihm, sieht Louis zu ihm auf und möchte ihn nicht enttäuschen. Wenn jedoch etwas Gutes passiert, gibt es häufiger beschriebene Gerüche. Am Anfang kommen diese zum Beispiel auf den Seiten 15, 16, 21, 23, 41, … vor. Auch wirkt der Geruch der Mutter beruhigend auf ihn, wenn er ängstlich ist. Ein Beispiel dafür ist, als die beiden mit dem Vikar flüchten und der Junge vom Baron träumt, sich jedoch durch den Geruch der Mutter wieder beruhigt. (S. 194, 20ff) Am Ende des Buchs gibt es immer weniger Gerüche, da das Befinden Louis’ durch die Krankheit und Gefangenschaft der Mutter immer schlechter wird. Was an den Träumen des Jungen auch auffällt ist, dass sie wegen des jungen Alters oft recht realitätsfern sind. Der Junge stellt sich die Dinge einfacher und positiver vor, als sie sind. Dies ist aufgrund seiner Erlebnisse recht erstaunlich, da man denken könnte, dass er durch die Demütigungen ein eher pessimistisches Weltbild hat. Auch seine Mutter versucht ihr Leben oft positiv zu sehen. Sie sagt ihrem Jungen oft, dass es den Sklaven auf Saint-Domingue viel schlechter geht, als ihnen und dass sie froh sein können, in der Schweiz leben zu dürfen. Ganz am Ende der Geschichte nimmt Louis den neuen Namen Samuel an, was für den neuen Lebensabschnitt in seinem Leben stehen könnte. Diesen Namen hat der Junge schon auf seiner ersten Flucht mit der Mutter und dem Vikar erhalten. Im neuen Lebensabschnitt hat der Junge seine Träume der Reise nach Saint-Domingue aufgegeben. Er versucht sein altes Leben und seine Träume hinter sich zu lassen, da er gemerkt hat, dass sie sich nicht erfüllen können.
Wie wir nun sehen, sind Louis’ Träume stark durch sein Leben und seine Herkunft geprägt. Die Geschichten der Mutter dienen als wichtige Stütze für sie. Louis findet seinen Lebenssinn in den Träumen, dem Gedanken der Flucht und Marguerite. Auch heute haben wir noch Träume, die durch unser Leben entstehen. Diese Träume führen dazu, dass wir ein Ziel im Leben haben, das wir erreichen möchten. Leider gehen nicht immer alle Träume in Erfüllung, was man in der Geschichte an Louis sehen konnte. Trotzdem sollte man sie nie aufgeben und immer weiter für sie kämpfen.
Träume von Saint-Domingue
In dieser Interpretation werden wir die Bedeutung des historischen Kontextes im Roman thematisieren. Vor allem für das Verständnis der Geschichte ist die Kenntnis über die Sklaverei wichtig. Auch der räumliche Kontext, also Saint-Domingue tritt immer wieder auf und hat einen wichtigen Anteil am Buch. In diesem Fall ist der historische Hintergrund eng mit dem räumlichen Kontext verbunden, zumal Saint-Domingue sehr von der Sklaverei geprägt ist. In der chronologisch erzählten Handlung des Romans wird Saint-Domingue vor allem in den Erzählungen Marguerites und in Louis’ Fantasien beschrieben. Die Insel im karibischen Meer ist Schauplatz von Marguerites Vorgeschichte, welche wir im Verlauf des Romans erfahren. Die Rückblicke sind als Geschichten verpackt, die sie ihrem Sohn weitergibt. Louis ist davon besonders begeistert und erwartet immer wieder, dass seine Mutter ihm mehr erzählt. Er denkt oft über diese Geschichten nach, ändert sie ab und fügt Dinge hinzu, da er findet, dass Geschichten ihrem Leser angepasst werden müssen (S.37, Z. 10-13). Durch die von Marguerite übermittelten Geschichten und Beschreibungen kann sich der Leser ein genaueres Bild über die damalige Zeit machen. Dem Leser wird der Eindruck vermittelt, dass er hautnah dabei ist, sowohl in der Handlung als auch in den Rückblicken. Vor allem der historische Hintergrund geht unter die Haut, weil die Sklaverei eine wesentliche Komponente des Romans ist. Das Buch geht vom historischen Kontext aus und dient dazu, dem Leser die realitätsnahen Eindrücke möglichst authentisch zu übermitteln. Die Thematik ist immer präsent und zentral. So beginnt die Handlung z.B mit einer von Louis’ Fantasiegeschichten, wobei die Situation der Sklaven auf einem Schiff bei der Überfahrt beschrieben wird. Zugleich wird uns aber auch einen Rückblick auf die Vorgeschichte der Mutter und dem Herrn von Wyssenbach übermittelt (S.11).
Louis beschreibt, wie die Sklaven auf dem Schiff alle eng bei einander liegen und kaum Platz zum Bewegen haben. Dies war auch in Wirklichkeit so. Die Sklaven mussten sich bei Überfahrten wie Sardinen in einer Konservendose nebeneinander quetschen und so für Wochen liegen bleiben. Sie bekamen kaum Nahrung und keine medizinische Versorgung, weshalb viele die Überfahrten nach Amerika nicht überlebten.
Die Geschichte der Sklaverei geht mindestens bis ins 18. Jahrhundert vor Christus zurück und begann sich vor allem zuerst in Ägypten und Griechenland auszubreiten. Später gab es aber in fast allen Kulturen Sklaven. Mit dem so genannten Dreieckshandel konnten Kaufleute viel Geld machen, indem sie Waren von Europa nach Afrika zirkulieren liessen und die Schiffe mit Sklaven vollbeladen nach Amerika aufbrachen, um danach wieder Baumwolle und Zuckerrohr nach Europa zu verschiffen. Insgesamt waren es ungefähr 40 Millionen afrikanische Sklaven, die nach Amerika verschleppt und verkauft wurden. Dort wurden sie als Hilfskraft eingesetzt und galten als Eigentum ihrer reichen Käufer. Sie wurden auf grauenvollste Weise missbraucht und ungerecht behandelt. Sie hatten keine Rechte und durften sich nicht gegen die Ungerechtigkeiten wehren. Das alles nur, weil sie wegen ihrer dunklen Hautfarbe als minderwertig und ungleich angesehen wurden. Die Weissen rechtfertigten dies mit der Bibel. Sie behaupteten, dass es so gottgewollt war und die Sklavenbesitzer mit ihrem Eigentum alles tun dürften. Selbst die Schweiz war zu manchen Teilen im Sklavenhandel involviert. Schweizer Familien und Unternehmen wollten am lukrativen Geschäft teilhaben, weil es risikofrei und profitabel war. Sie verschifften in der Schweiz produzierte Waren nach Afrika und verdienten damit ihr blutbeschmutztes Geld.
Auf Grund der Ungerechtigkeit begann, wie man im Roman sieht, selbst Louis daran zu glauben. Er versuchte seine eigene Haut aufzukratzen bis sie blutig wurde, um zu sehen, ob er unter seiner braunen Haut eine hellere hat (S.56, Z. 10-14). Auch die ungerechte Behandlung wird durch die Beziehungen zwischen der Familie, Marguerite und Louis verbildlicht. Marguerite muss als Bedienstete die ganze Arbeit im Haus verrichten. Und auch Louis muss als Dienstbote allen Wünschen der Familie nachgehen. Ganz klar widerspiegelt Philipp die Denkweise der Sklavenbesitzer im 18. Jahrhundert. Er ist rassistisch und bezeichnet die Neger als zurückgeblieben und dümmer als Affen (S. 61, Z. 6f). Er scheint kein Mitleid und keine Reue zu verspüren. Im Gegenteil, er begründet dies selbst noch als gottgewollt, wie es sein Vater gesagt habe. Trotz all der erfahrenen Demütigungen und der harten Arbeit, welche die Mohrin und Louis verrichten müssen, haben sie es etwas besser als die Sklaven auf den Plantagen. Selbst Marguerite erinnert Louis immer wieder dran, da die Sklaven auf Saint-Domingue sich auf den Baumwollplantagen in der prallen Sonne zu Tode schuften müssen. Es ist nur verständlich, dass die Mohrin und der Vikar eine Flucht planen, um diesen Qualen zu entfliehen. Auch die Saint-Domingue ist für Louis zeitweisen eine Flucht und lässt ihn träumen. Obwohl die Handlung in Bern spielt, hat man das Gefühl, immer zwischen der Schweiz und der Karibik hin und her zu schwanken. Die gut beschriebenen Passagen über Saint-Domingue lassen den Leser in diese Welt eintauchen.
Saint Domingue liegt auf dem Gebiet vom heutigen Haiti und war im 17. und 18. Jahrhundert eine französische Kolonie. Saint-Domingue hatte eine florierende Wirtschaft und besass viele Bauwoll- und Zuckerplantagen. Viele Waren wurden mit Schiffen nach Europa gebracht und dort erfolgreich verkauft. Diesen Profit erlangten sie jedoch dank den Sklaven, die durch den Dreieckshandel von Afrika in die Karibik gebracht wurden. Um noch mehr Gewinn zu machen wurden immer mehr Sklaven nach Saint Domingue gebracht, sodass die Bevölkerung zu Ende des 18. Jahrhunderts aus 90% aus Sklaven bestand. Mit der Haitianischen Revolution konnte sich die Bevölkerung von den Europäern befreien und wurden zu einem unabhängigen Staat, der allein von ehemaligen Sklaven geformt wurde.
Der räumliche Kontext ist für dieses Buch wichtig, weil er wie ein Bindeglied zwischen Marguerites ehemaligen Leben als Sklavin und ihrem "geschenkten" Leben als Bedienstete in Bern dazwischensteht. Es ist ein Überbleibsel ihres alten Lebens, aber ist dennoch dank Louis immer präsent. Für den Jungen scheint Saint-Domingue auch eine Art Flucht zu sein, weil er davon träumen kann. Es ist ein Ort, wo Louis in seinen Spielen der Realität entfliehen kann. Wenn er in Gedanken in Saint-Domingue ist, ist er fern ab von der Familie und dem Leben in der Schweiz. Gedanken in Saint-Domingue ist, ist er fern ab von der Familie und dem Leben in der Schweiz. Saint-Domingue steht für ihn aber immer auch mit seiner Mutter in Verbindung. Als sie nach dem misslungenen Fluchtversuch stirbt, lässt er auch seine Fantasien von Saint-Domingue hinter sich. Darum ist der räumliche Kontext auch eine Verbindung zwischen Louis und seiner Mutter Marguerite.
Zusammenfassend lässt sich durch die Analyse des historischen Hintergrunds und seiner Bedeutung für das Werk nachvollziehen, wieso das Buch der Gattung des historischen Romans zuzuordnen ist. Wie im Prolog des Buches beschrieben wird fand der Autor die Inspiration für dieses Buch in der Vergangenheit seiner Familiengeschichte, als er von einem Mischlingsvorfahren erfahren hatte. Er versuchte zunächst, die Eltern des Jungens ausfindig zu machen. Als man ihn fragte, wer seine Eltern waren, konnte er sich nicht mehr an die Namen erinnern. Er wusste nur noch, dass seine afrikanische Mutter Sklavin in West-Indien gewesen war und dass sie gestorben war. Der Junge hatte auch keine Erinnerungen mehr daran, wo er gewohnt hatte.
In dieser Interpretation werden wir die Bedeutung des historischen Kontextes im Roman thematisieren. Vor allem für das Verständnis der Geschichte ist die Kenntnis über die Sklaverei wichtig. Auch der räumliche Kontext, also Saint-Domingue tritt immer wieder auf und hat einen wichtigen Anteil am Buch. In diesem Fall ist der historische Hintergrund eng mit dem räumlichen Kontext verbunden, zumal Saint-Domingue sehr von der Sklaverei geprägt ist. In der chronologisch erzählten Handlung des Romans wird Saint-Domingue vor allem in den Erzählungen Marguerites und in Louis’ Fantasien beschrieben. Die Insel im karibischen Meer ist Schauplatz von Marguerites Vorgeschichte, welche wir im Verlauf des Romans erfahren. Die Rückblicke sind als Geschichten verpackt, die sie ihrem Sohn weitergibt. Louis ist davon besonders begeistert und erwartet immer wieder, dass seine Mutter ihm mehr erzählt. Er denkt oft über diese Geschichten nach, ändert sie ab und fügt Dinge hinzu, da er findet, dass Geschichten ihrem Leser angepasst werden müssen (S.37, Z. 10-13). Durch die von Marguerite übermittelten Geschichten und Beschreibungen kann sich der Leser ein genaueres Bild über die damalige Zeit machen. Dem Leser wird der Eindruck vermittelt, dass er hautnah dabei ist, sowohl in der Handlung als auch in den Rückblicken. Vor allem der historische Hintergrund geht unter die Haut, weil die Sklaverei eine wesentliche Komponente des Romans ist. Das Buch geht vom historischen Kontext aus und dient dazu, dem Leser die realitätsnahen Eindrücke möglichst authentisch zu übermitteln. Die Thematik ist immer präsent und zentral. So beginnt die Handlung z.B mit einer von Louis’ Fantasiegeschichten, wobei die Situation der Sklaven auf einem Schiff bei der Überfahrt beschrieben wird. Zugleich wird uns aber auch einen Rückblick auf die Vorgeschichte der Mutter und dem Herrn von Wyssenbach übermittelt (S.11).
Louis beschreibt, wie die Sklaven auf dem Schiff alle eng bei einander liegen und kaum Platz zum Bewegen haben. Dies war auch in Wirklichkeit so. Die Sklaven mussten sich bei Überfahrten wie Sardinen in einer Konservendose nebeneinander quetschen und so für Wochen liegen bleiben. Sie bekamen kaum Nahrung und keine medizinische Versorgung, weshalb viele die Überfahrten nach Amerika nicht überlebten.
Die Geschichte der Sklaverei geht mindestens bis ins 18. Jahrhundert vor Christus zurück und begann sich vor allem zuerst in Ägypten und Griechenland auszubreiten. Später gab es aber in fast allen Kulturen Sklaven. Mit dem so genannten Dreieckshandel konnten Kaufleute viel Geld machen, indem sie Waren von Europa nach Afrika zirkulieren liessen und die Schiffe mit Sklaven vollbeladen nach Amerika aufbrachen, um danach wieder Baumwolle und Zuckerrohr nach Europa zu verschiffen. Insgesamt waren es ungefähr 40 Millionen afrikanische Sklaven, die nach Amerika verschleppt und verkauft wurden. Dort wurden sie als Hilfskraft eingesetzt und galten als Eigentum ihrer reichen Käufer. Sie wurden auf grauenvollste Weise missbraucht und ungerecht behandelt. Sie hatten keine Rechte und durften sich nicht gegen die Ungerechtigkeiten wehren. Das alles nur, weil sie wegen ihrer dunklen Hautfarbe als minderwertig und ungleich angesehen wurden. Die Weissen rechtfertigten dies mit der Bibel. Sie behaupteten, dass es so gottgewollt war und die Sklavenbesitzer mit ihrem Eigentum alles tun dürften. Selbst die Schweiz war zu manchen Teilen im Sklavenhandel involviert. Schweizer Familien und Unternehmen wollten am lukrativen Geschäft teilhaben, weil es risikofrei und profitabel war. Sie verschifften in der Schweiz produzierte Waren nach Afrika und verdienten damit ihr blutbeschmutztes Geld.
Auf Grund der Ungerechtigkeit begann, wie man im Roman sieht, selbst Louis daran zu glauben. Er versuchte seine eigene Haut aufzukratzen bis sie blutig wurde, um zu sehen, ob er unter seiner braunen Haut eine hellere hat (S.56, Z. 10-14). Auch die ungerechte Behandlung wird durch die Beziehungen zwischen der Familie, Marguerite und Louis verbildlicht. Marguerite muss als Bedienstete die ganze Arbeit im Haus verrichten. Und auch Louis muss als Dienstbote allen Wünschen der Familie nachgehen. Ganz klar widerspiegelt Philipp die Denkweise der Sklavenbesitzer im 18. Jahrhundert. Er ist rassistisch und bezeichnet die Neger als zurückgeblieben und dümmer als Affen (S. 61, Z. 6f). Er scheint kein Mitleid und keine Reue zu verspüren. Im Gegenteil, er begründet dies selbst noch als gottgewollt, wie es sein Vater gesagt habe. Trotz all der erfahrenen Demütigungen und der harten Arbeit, welche die Mohrin und Louis verrichten müssen, haben sie es etwas besser als die Sklaven auf den Plantagen. Selbst Marguerite erinnert Louis immer wieder dran, da die Sklaven auf Saint-Domingue sich auf den Baumwollplantagen in der prallen Sonne zu Tode schuften müssen. Es ist nur verständlich, dass die Mohrin und der Vikar eine Flucht planen, um diesen Qualen zu entfliehen. Auch die Saint-Domingue ist für Louis zeitweisen eine Flucht und lässt ihn träumen. Obwohl die Handlung in Bern spielt, hat man das Gefühl, immer zwischen der Schweiz und der Karibik hin und her zu schwanken. Die gut beschriebenen Passagen über Saint-Domingue lassen den Leser in diese Welt eintauchen.
Saint Domingue liegt auf dem Gebiet vom heutigen Haiti und war im 17. und 18. Jahrhundert eine französische Kolonie. Saint-Domingue hatte eine florierende Wirtschaft und besass viele Bauwoll- und Zuckerplantagen. Viele Waren wurden mit Schiffen nach Europa gebracht und dort erfolgreich verkauft. Diesen Profit erlangten sie jedoch dank den Sklaven, die durch den Dreieckshandel von Afrika in die Karibik gebracht wurden. Um noch mehr Gewinn zu machen wurden immer mehr Sklaven nach Saint Domingue gebracht, sodass die Bevölkerung zu Ende des 18. Jahrhunderts aus 90% aus Sklaven bestand. Mit der Haitianischen Revolution konnte sich die Bevölkerung von den Europäern befreien und wurden zu einem unabhängigen Staat, der allein von ehemaligen Sklaven geformt wurde.
Der räumliche Kontext ist für dieses Buch wichtig, weil er wie ein Bindeglied zwischen Marguerites ehemaligen Leben als Sklavin und ihrem "geschenkten" Leben als Bedienstete in Bern dazwischensteht. Es ist ein Überbleibsel ihres alten Lebens, aber ist dennoch dank Louis immer präsent. Für den Jungen scheint Saint-Domingue auch eine Art Flucht zu sein, weil er davon träumen kann. Es ist ein Ort, wo Louis in seinen Spielen der Realität entfliehen kann. Wenn er in Gedanken in Saint-Domingue ist, ist er fern ab von der Familie und dem Leben in der Schweiz. Gedanken in Saint-Domingue ist, ist er fern ab von der Familie und dem Leben in der Schweiz. Saint-Domingue steht für ihn aber immer auch mit seiner Mutter in Verbindung. Als sie nach dem misslungenen Fluchtversuch stirbt, lässt er auch seine Fantasien von Saint-Domingue hinter sich. Darum ist der räumliche Kontext auch eine Verbindung zwischen Louis und seiner Mutter Marguerite.
Zusammenfassend lässt sich durch die Analyse des historischen Hintergrunds und seiner Bedeutung für das Werk nachvollziehen, wieso das Buch der Gattung des historischen Romans zuzuordnen ist. Wie im Prolog des Buches beschrieben wird fand der Autor die Inspiration für dieses Buch in der Vergangenheit seiner Familiengeschichte, als er von einem Mischlingsvorfahren erfahren hatte. Er versuchte zunächst, die Eltern des Jungens ausfindig zu machen. Als man ihn fragte, wer seine Eltern waren, konnte er sich nicht mehr an die Namen erinnern. Er wusste nur noch, dass seine afrikanische Mutter Sklavin in West-Indien gewesen war und dass sie gestorben war. Der Junge hatte auch keine Erinnerungen mehr daran, wo er gewohnt hatte.